„Selbstverwirklichung, folge Deiner Passion, die Welt erkunden“ – All diese Dinge gelten aktuell als löbliche Lebensziele unserer Zeit. Auch wenn wir diese Ziele super finden, ist es dennoch erschreckend, wie kurzsichtig viele junge Leute denken.
Wir sind beunruhigt, weil sich unsere Gesellschaft in eine merkwürdige Richtung entwickelt. Viele Menschen unserer Generation (der sogenannten Generation Y, die „Digital Natives“, die Internet-Affinen) glauben an eine Illusion vom kunterbunten Blumenleben und tun so, als wäre das genau die richtige Einstellung.
Menschen wollen nicht arbeiten. Punkt. Heute wahrscheinlich weniger, als je zuvor.
Dies wird deutlich, wenn man sich einmal anschaut, wie viele „Gurus“, Sprecher, Bücher und Tests es zu dem Thema „Finde Deine Leidenschaft“ oder „Reisen und Arbeiten“ gibt. Sie treffen genau den Kern unserer Zeit. Es ist romantisch, idealistisch und es scheint, als hätte man endlich die einzig wahre Antwort auf die Lebensfrage „Was soll ich mit mir anstellen?“ entdeckt.
Die Wahrheit ist aber, dass es keine Abkürzungen gibt. Kein Szenario ist perfekt. Kein Lebensstil ohne Macken. Mit jedem Pro-Argument gibt es auch ein Contra-Argument.
Menschen wollen die Ergebnisse (Selbstverwirklichung und co.), aber nicht die damit verbundenen Konsequenzen auf sich nehmen.
Um sich selbst zu verwirklichen, braucht man beispielsweise enorme Disziplin. Denn sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wer seinen Job kündigt und auf eigene Faust agiert, muss sich genauso diszipliniert täglich aufraffen und an die Arbeit machen. Wahrscheinlich sogar mehr. Auf Reisen ist es noch schwerer, weil ständig irgendwo die Ablenkung lauert. Und bitte denke jetzt nicht, dass das Aufraffen für einen selbst einfacher ist. Ist es nicht, denn schließlich arbeitet man immer für jemand anderes.
Nur die wenigsten Menschen können diese nötige Disziplin langfristig aufbringen.
Wer seiner Passion folgen möchte, kommt nicht drumherum, auch mal Dinge zu tun, die Mist sind und keinen Spaß machen. Und je mehr man versucht, Dinge zu delegieren, desto größer sind auch das Risiko und die Verantwortung, die man wegen der Mitarbeiter hat. Auch für das Alter muss man diszipliniert vorsorgen und regelmäßig etwas zurücklegen.
Nur wenige wollen diese Verantwortung übernehmen und sind psychisch stark genug. Könntest Du beispielsweise jemanden entlassen, der gerade ein Haus gekauft und ein Kind bekommen hat?
Reisen ist super und macht Spaß. Doch ein Nomadenleben ist sehr anstrengend. Keine festen Bekannten. Keine Familie. Keine feste Routine. Nie wissen, wo man schläft oder was man essen soll. Leben aus dem Rucksack. Spätestens wenn man mit Fieber, Magendarm und ohne Wasser alleine im burmesischen Gasthaus liegt, wird ganz schnell klar: Routine und ein guter Lebensstandard sind doch ganz cool. Jeder Mensch aus einem Entwicklungsland, würde sein Leben sofort gegen Deines eintauschen.
Dieses lockere Erleben von Dingen macht zeitweise viel Spaß. Doch nur wenige können das tatsächlich lange aushalten (und wollen das wirklich).
Verstehe uns nicht falsch: Wir sind komplett dafür, dass Du etwas tust, das Dir Spaß macht, mit dem Du Deine besten Talente ausnutzt und das Dein Leben erfüllt. Es ist auch aus unserer Sicht der beste Weg, um sein Leben zu führen.
Doch um das zu schaffen, braucht es richtig harte Arbeit und eine starke Persönlichkeit. Mehr Arbeit als in einem „normalen“ Lebensstil, der von Medien und Arbeitgeber geführt wird.
Es wird Momente geben, in denen Du keine Lust mehr hast. Momente, in denen Du in der Nacht hektisch aufwachst, weil ein Monat vielleicht doch nicht so läuft, wie Du Dir dachtest. Du wirst Fehler machen und musst mehr leisten, als viele andere Menschen in Deinem Umfeld.
Auch wenn die wenigsten es Dir sagen werden aber: Arbeit ist Arbeit.
Ob in einem Job.
In Deinem Lifestyle-Business.
Deiner Passion.
Deinem riesigen Konzern.
Vollkommen egal.
Es gibt Tage, die gut sind und genauso Tage, die schlecht sind. Es gibt Tage, an denen Du Dein Leben liebst und Tage, an denen Du alles in Frage stellst und aufgeben willst. Manche Kunden sind nett, andere fressen Deine Zeit und ärgern Dich.
Wir können Dir nicht sagen, welcher Lebensstil der Richtige für Dich ist und ob Du die Entscheidungen treffen kannst, die nötig sind, um Dich selbst zu verwirklichen. Aber wenn Du denkst, dass Du es willst, dann tue es.
Setze den ersten Fuß ins Wasser. Plantsche ein bisschen herum. Lasse Dir Zeit. Gewöhne Dich an die Temperatur. Und wenn Du bereit bist und Dir gefällt, was Du siehst, gehe ein Stück weiter hinein (oder mache einen Kopfsprung).
Sicher ist aber: Das, was Du sehen wirst, sieht wahrscheinlich anders aus, als Du es Dir gerade vorstellst. Und mit großer Gewissheit steckt mehr Arbeit dahinter, als Du momentan vielleicht glaubst.
Viel Erfolg dabei! Mehr interessante Denkweisen über Persönlichkeitsentwicklung und Erfolg findest Du in unserem Buch: „Die etwas andere Denkweise“
Foto: sarah sosiak
Hannes says
Guter Artikel der einen wichtigen Punkt anspricht (Zitat: auf der anderen Seite des Zaunes ist das Gras immer grüner).
Allerdings Punkto aufstehen muss ich klar widersprechen. Ich hasste es aufzustehen und quälte mich aus dem Bett. Jetzt, als selbstständiger geht es viel leichter – ich nenne es mal den Ferien-Effekt. Während der Schulzeit hätte ich ein Königreich für etwas mehr Schlaf gegeben – in den Ferien sprang ich immer aus dem Bett 😉
Es sind natürlich die Momente wenn man seine alten Kollegen im Feierabend trifft und man selbst noch zwei Termine vor sich hat, oder wenn 10.000 € reinkommen und 13.000 € rausgehen dann wünscht man sich etwas mehr Sicherheit und etwas mehr Entschleunigung. Andererseits ist es natürlich interessant sich selbst zu optimieren nach eigenen Vorstellungen und Idealen, Projekte und Kunden abzulehnen die nicht auf der selben Wellenlänge sind und vor lauter tüfteln und Begeisterung die Zeit übersehen.
Deshalb finde ich diese Ideale die in Wirklichkeiten nur Illusionen sind gut dargestellt und freue mich auf den nächsten Artikel.
Viele Grüße
Hannes
Aljoscha Laschgari says
Kann absolut zustimmen, dass Arbeit Arbeit ist. Inzwischen habe ich aber den Anspruch an mich, meine Arbeit wenigstens lieben zu können. Die Worte von Khalil Gibran klingeln da in meinem Kopf:
„Work is love made visible.
And if you cannot work with love but only with distaste, it is better that you should leave your work and sit at the gate of the temple and take alms of those who work with joy.
For if you bake bread with indifference, you bake a bitter bread that feeds but half man’s hunger.
And if you grudge the crushing of the grapes, your grudge distils a poison in the wine.
And if you sing though as angels, and love not the singing, you muffle man’s ears to the voices of the day and the voices of the night.“
Tobias says
Ein schöner und interessanter Artikel 🙂 . Den Punkt zur Disziplin kann ich nur unterstreichen.
Ich denke allerdings, dass die Passion so zu sagen der Brennstoff für die Disziplin ist, die es braucht, um auch langfristig am Ball zu bleiben. Wer sich zusätzlich noch die Frage nach dem „warum“ seines Unternehmens beantworten kann, kann immer wieder die notwendige Energie für die Disziplin bekommen.
Wer etwas sei es im Ausland oder Inland ortsunabhängig oder nicht aufbauen möchte, sollte eher in 5-10 Jahren voraus denken und nicht mal schnell eine Affiliate-Seite oder ein kleines Ebook hochziehen. Wenn das eher nur flüchtig gemacht wird, kann es natürlich passieren, dass man als Nomade auf der Straße landet und nicht mehr weiß, was man essen soll 😉 Einem disziplinierten Menschen wird das aber eher nicht so einfach passieren.
Sofern Du nicht gerade die nächsten Wochen in Rente gehst, sehe ich sämtliche Altersvorsoge-Modelle gerade in den ewigen Jagdgründe verschwinden. Die Investition in das eigene Business finde ich mittlerweile die bessere Option. Da weißt Du wenigstens, was mit dem angelegten Geld geschieht..
LG
Tobias
Andrea Perez says
Wer das tut, was er liebt, achtsam ist, hat keine harte Arbeit mehr.
Doch dieses Bewusstsein hat sich erst mit der Zeit entwickelt.
Artur says
Hi Tobias,
stimmt absolut: Leidenschaft ist der beste Motivator und alle Projekte, die man sich vornimmt, dauern in der Regel deutlich länger, als man ursprünglich denkt. Diese „Trockenzeit“ kann man ohne Leidenschaft überhaupt nicht aushalten.
Zum Punkt Vorsorge: Es gibt verschiedene Menschentypen und manche sind einfach nicht der Typ, um „was Eigenes“ zu starten. Für diese Menschen mag ein traditionelles Vorsorgemodell die richtige Lösung sein. Die anderen kommen mit Investments (z. B. Immobilien) oder ihrem eigenen Business wahrscheinlich besser zurecht. Doch wie das so ist: Alles Gute braucht Zeit und Arbeit, die nunmal nicht jeder aufbringen möchte.
BG
Artur
Artur says
Hi Hannes,
danke Dir für den Kommentar!
BG
Artur
Maximilian says
Toller Blogartikel, endlich wird das Thema Arbeit mal von einem anderen Blickwinkel aus beleuchtet. Natürlich sind Selbstverwirklichung, Nervenkitzel und Spaß wichtige intrinsische Motivatoren, um Zufriedenheit und Genugtuung am Beruf zu finden. Jedoch erfordert Arbeit auch immer ein gewisses Maß an Disziplin, Durchhaltevermögen und Ehrgeiz. Selbst beim absoluten Traumberuf muss man viel Kraft aufwenden und persönliche Ressourcen investieren, um erfolgreich zu sein. Ich habe in diesem Zusammenhang immer das Motto „Der Weg ist das Ziel“ im Hinterkopf. Man sollte beruflich gesehen immer in Fluss bleiben, sich immer wieder neue Ziele setzen und auch dranbleiben um diese zu erreichen. Egal ob als kreativer Reiseblogger, leidenschaftlicher Künstler oder als sozialer Hilfsarbeiter in einem Entwicklungsland – jeder hat seine eigenen Vorstellungen vom Traumberuf, um wirklich Freude an dieser Tätigkeit zu haben muss man aber bereit sein, einiges zu investieren!
StefanS says
Wunderbarer Artikel, dem ich nur zustimme. Ich gehöre wahrscheinlich selbst zur Internet-Affinen Generation, jedoch muss die Arbeit Arbeit bleiben. Denn von nichts kommt nicht. Das war früher schon so und ist heute nicht anders. Ich kann nicht verstehen, wie man denken kann, dass man ohne Arbeit weit kommt. Disziplin ist ein wichtiger Punkt. Ohne sie wird man nicht viel erreichen, denn sie ist der Grundstein für jeden Erfolg. Neben Disziplin braucht man ebenfalls die nötige Konzentration um die vorliegenden Aufgaben zu meistern. Hier findet man ein paar Tipps die einem durch den stressigen Büroalltag helfen können. zeit.de/karriere/beruf/2012-02/konzentration-tipps-berufstaetige/seite-2 . Viele verstehen einfach nicht, wie wichtig ein solider Arbeitswille ist. Sie gehen die meisten aufgaben viel zu lässig an und wundern sich warum sie scheitern. Ein Beispiel das mich immer wieder ins Staunen versetzt ist das Thema Email. Es wurde geschafft sie vom produktiven Hilfsmittel zum Zeitfresser zu degradieren. Dies kostet Zeit, Geld und Nerven. (siehe: lookeen.net/de/5881/news/a-fundamental-waste-of-money-through-searching-for-relevant-information/ ).